Ein  Beitrag zur Frage der Königspfalz Forchheim

Verfasser:   Alfred Müller 1999

Erschienen auch in der Heimatkundlichen Zeitschrift: An Regnitz, Aisch und Wiesent!

(Die im fortlaufenden Text als Literaturhinweise genannten Kurztitel sind im Anhang aufgelöst.)

In wenigen Jahren wird Forchheim ein bemerkenswertes Gedenkjahr feiern. Dann wird es 1200 Jahre her sein, dass der Ort zum ersten Male erwähnt wurde, und zwar im Diedenhofener Capitulare Karl des Großen aus dem Jahre 805. Im 9., 10. und 11. Jahrhundert spielte Forchheim in der fränkischen bzw. deutschen Geschichte eine höchst bedeutende Rolle, wie viele Quellen belegen. Umso erstaunlicher ist es, dass die Stadt aus dieser Zeit keine baulichen Überreste aufzuweisen hat, wenn man von der sogenannten „Krypta“ der Martinskirche absehen will (Paulus, S.46). Es gibt in Deutschland wohl keinen Ort von der Bedeutung Forchheims, für den gleiches gilt. Nicht einmal der Platz ist bekannt, wo die Königspfalz stand, die sicher sehr ansehnlich war. (Diente sie Kaisern und Königen doch häufig als Aufenthaltsort, als Ort, wo sie Verträge schlossen, Gesandtschaften empfingen, Reichstage abhielten, ja wo sogar Königswahlen stattfanden.) War man bisher der Ansicht, dass sie dort lag, wo jetzt die bischöfliche Burg – „Kaiserpfalz“ genannt – zu finden ist, so haben die Ausgrabungen des Lehrstuhls für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, Bamberg, dies klar widerlegt (Ericsson, S. 170ff.). Überhaupt hab  en die sehr verdienstvollen Grabungen von Prof. Sage bzw. seit 1995 von Prof. Ericsson an mehr als 20 Stellen im Stadtbereich Forchheim zwar viele interessante Details zur Frühgeschichte Forchheims erbracht, jedoch keinen Beleg für eine Königspfalz. Dies stellt die Frage nach dieser Pfalz neu und besonders drängend.

Es ist seit langem unbestritten, dass die erste Ansiedlung der nach Osten zur Regnitzfurche hin vordringenden Franken nicht östlich des Flusses, wo die Stadt heute liegt, sondern westlich davon zu suchen ist. Die jetzige Lage Forchheims erklärt man mit einer Umsiedlung, die nach einer endgültigen Sicherung des Flußübergangs – und damit der Region – später erfolgt sei. Kupfer, dessen Arbeit „Forchheim – Geschichte einer alten fränkischen Stadt“ noch immer das Standardwerk der heimischen Geschichtsschreibung darstellt, nimmt dafür die Zeit Karl Martells bzw. Pippins an (Kupfer, S.37). Nun haben aber die jüngsten archäologischen Grabungen im Stadtbereich Forchheims und früher bei Eggolsheim erbracht, dass bereits sehr früh, also in merowingischer Zeit, Franken östlich der Regnitz gesiedelt haben müssen (Frieser/Brand, S.41f.). Man darf also davon ausgehen, dass bald nach der Landnahme der Franken auch der heutige Stadtbereich Forchheims in gewissen Umfang von ihnen besiedelt wurde. Daneben bestand die erste Niederlassung der Franken westlich der Regnitz für einen erheblichen Zeitraum weiter fort. Dieser Sachverhalt könnte sich auch in der Schenkungsurkunde von 1007 widerspiegeln, in der unterschieden wird zwischen den Leuten, die „in loco“ (also Forchheim, vermutlich rund um die Martinskirche) wohnten, und denjenigen, die „in eadem villa“ , dem Bereich des Königshofes – möglicherweise gleichzusetzen mit der Pfalz – wohnten (Konrad, S.51, A. Jakob, S. 137f. – auch bei anderen Autoren).

Für die Lage der ursprünglichen  Ansiedlung bot sich bisher unangefochten Burk an, heute ein westlich der Regnitz liegender Statdtteil Forchheims. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen befassen sich mit Burk und seiner vermuteten frühgeschichtlichen Rolle, wobei die Forchheim – Hausener Pilatussage häufig herangezogen wird. Im Heft 1 der Schriftenreihe der universitären Außenstelle Forchheim, herausgegeben von Hermann Ammon, findet sich eine fast Übersicht der Literatur zu diesem Thema. Es soll hier nur auf wenige relevante Thesen und Fakten eingegangen werden.

Am spektakulärsten ist in diesem Zusammenhang wohl die Veröffentlichung von Heinrich Kunstmann 1979, in der er – unter Zuhilfenahme einer kühnen Deutung der Forchheim-Hausener Pilatussage – Burk in unter ihrem Führer Samo geschlagen wurden (Kunstmann II). „Burk“ = „Wogatisburg“ – diese Vorstellung ist durch die Arbeit von Hans Jakob von 1987 widerlegt, der beweist, dass „Wogast“ ein germanischer Rufname ist, womit den Thesen Kunstmanns eine unverzichtbare Grundlage genommen wird (Jakob II). Diese Frage braucht wohl nicht mehr zu beschäftigen. 

In den meisten Überlegungen bei der Gleichsetzung von Burk mit dem Gründungsort für Forchheim wird davon ausgegangen, dass dem Namen Burk die Bedeutung von „Burg“, also befestigte Anlage, zukommt. Zuweilen geschieht dies sogar in Analogie zu Castell am westlichen Rand des Steigerwalds, in dem man ein gewisses Gegenstück zu Burk zu erkennen glaubt (Kunstmann I, S 15f.). Bei der Gleichsetzung Von Burk mit Burg ist es eigentlich erstaunlich, dass die recht unfränkische Auslautung dieses Ortsnamens mit dem Verschlusslaut „k“, kaum Anstoß gefunden hat.

Alle Wortbildungen mit dem Grundwort „-burg“ werden aber in unserem Bereich mit einem gutturalen Reibelaut am Schluss gesprochen (Beispiele: Ehrenbürg, Altenburg). Dies gilt aber nicht für Burk. Hier tritt der Verschlusslaut „k“ gerade bei der mundartlichen Aussprache deutlich hervor. Eine Lösung dieses Problems ergibt sich, wenn man der Deutung Dieter Georges folgt und der Ableitung dieses Ortsnamens das slawische Wort „borek“ = Föhrenwald zugrundelegt (George, S. 2.). Dann wäre der ON Forchheim nichts anderes als eine Analogie zu denn vermutlich älteren slawischen ON Burk/Borek. Da Burk aber als Ortsname und Siedlung neben Forchheim weiterbestanden hat, können beide Orte nicht identisch sein. Das würde auch erklären, weshalb Burk in den ältesten Urkunden nicht wie Hausen oder Wimmelbach als ein zum Königshof zählender Ort genannt wird – es war ursprünglich ja slawisch – dafür aber eine offensichtliche fränkische Gründung „Slierbach“, die im heutigen Ortsbereich Burks liegt. Vor einiger Zeit war noch ein Flurname „Schlierbach“ gebräuchlich, der heute in der Form „Schlehenbach“ als Straßenname Verwendung findet. Der Ansicht Konrads, das Burk junger sei als Forchheim, weil es urkundlich weder 1007 noch 1062 erwähnt wurde, muß nicht gefolgt werden (Konrad, S. 45f.). Es ist eigentlich undenkbar, dass eine slawische Neugründung mit einem rein slawischen Namen nach 1062 in unmittelbarer Nähe eines wichtigen fränkische Könighofes gestattet wurde.

Die Bodenforschung stützt die bisherigen Überlegungen. Der Bamberger Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit hat 1993 mit Prof. Sage in Burk Grabungen durchgeführt, die zwar einen erkennbaren Anteil slawischer Keramik zutage förderten, aber keinen Hinweis auf einen fränkischen Königshof erbrachten (Endres, S. 128ff.).

Wenn aber der fränkische Königshof „Foracheim“ nicht im Kernbereich Burks zu finden ist, wo müssen wir ihn dann suchen? Kupfer bringt die Flurlagen „Altenbürg“ und „Schanzbach“ in Spiel (Kuper, S.35). Hans Jakob bringt eine „curia praedialis“ an der östlich der Regnitz verlaufenden Altstraße am Rande der alten Siedlung Burk an, deren Zentrum vermutlich in der Gegend des Burker Kirchenplatzes zu suchen ist. Diese sei aus einer „curia regis“ hervorgegangen (H. Jakob I. S. 48ff.). Alle diese Überlegungen bedürfen weiterer Untersuchungen.

Es sei erlaubt, zunächst einmal die Vorgaben und Bedingungen zu diskutieren, die bei der Entstehung eines so wichtigen Königshofes, wie Forchheim es war, eine Rolle gespielt haben dürften.

Da ist zum einen die Verkehrslagen zu nennen. Mit großer Sicherheit lag der Ort an der schon erwähnten Nord-Süd-Altstraße westlich der Regnitz. Diese Straße wurde gekreuzt von einer aus Westen kommenden Straße (vom Aischgrund her etwa der heutigen B 470 folgend), die vermutlich die Regnitz in einer Furt überquerte, welche später durch die alte Regnitzbrücke ersetzt wurde. Nun ist es durchaus nicht zwingend, dass diese Furt im Bereich der heutigen noch als Torso bestehenden altrn Brücke gelegen haben muss. Die heutige Stadt Forchheim bestand ja noch nicht. Viel einleuchtender ist es, dass die Furt in gerader Verlängerung der aus Westen kommenden Straße den Fluss querte, und zwar noch vor der Einmündung von Truppach und Wiesent, schon allein der deutlich geringeren Wasserführung wegen, aber auch, weil vermutlich links der unteren Wiesent die dichtere Besiedlung lag. Die Trasse führte dann wohl am Gebiet der heutigen Orte Kersbach und Pinzberg vorbei zum Fuß der Ehrenbürg, die bei der Landnahme der Franken schon mehr als ein Jahrtausend Siedlungsgeschichte hinter sich hatte und zu diesem Zeitpunkt vermutlich Mittelpunkt einer Elbgermanischen Bevölkerung war, die ebenfalls schon seit Jahrhunderten hier wohnte. Das Fernziel der Straßen war wohl Böhmen.

Es ist anzunehmen, dass der Königshof Forchheim u. a. die Aufgabe hatte, diese wichtige Straßenkreuzung zu sichern. Damit wäre seine Lage in der Nähe dieser Kreuzung, also in der Nähe der heutigen Pilatusflur zu suchen. In gerader Verlängerung  der aus westen kommenden Straße, noch im Bereich der genannten Pilatusflur, wird der Rand der hier befindlichen Flurtrasse der Regnitz durch einen hohlwegartigen Geländeeinschnitt zur Talaue hin gequert, der eigentlich als Flurweg für die benachbarten Orte Burk oder Hausen wenig Sinn macht; sie haben bequemere Zugänge zur Talaue. Dies könnte der Zugang der alten Furt über die Regnitz sein. Ganz in der Nähe liegt der Flurbereich „Kemmath“, den Kupfer in seine Überlegungen zur Pilatussage einbezieht, der aber ebenso eine Beziehung zur angenommenen Furt haben kann (Kupfer, S. 190, auch Konrad, S. 51). Wenn aber nun der Königshof in der Nähe der zu sichernden Straßenkreuzung anzunehmen ist, so kann sein Standort nicht Burk sein, denn er befindet sich viel zu weit entfernt von dieser Kreuzung; sie ist nicht einmal von dort aus einzusehen.

Zu den weiteren Vorgaben für diese Anlage eines Könighofes von der Bedeutung Forchheims gehört ein ganz bestimmtes Flächenangebot. Damit ist nicht der Platz für die notwendigen Gebäude gemeint – darauf wird noch einzugehen sein – sondern das räumliche Umfeld dazu. Wenn wir den Quellen folgen wollen, dann versammelten sich am Königshof Forchheim – ab einem gewissen Zeitpunkt Palatium (Pfalz) – relativ große Menschengruppen. Kupfer hat dies in seinem Kapitel „Kulturgeschichtliche Betrachtungen“ sehr anschaulich geschildert (Kupfer, S. 51f.). Um sie unterzubringen reichten weder die Gebäude der Königshofes, bzw. der Pfalz, noch die Unterbringungsmöglichkeiten der nahmen Orten Wimmelbach, Burk, Hausen usw. aus. Es musste wohl „Ein Obdach durch Zelte“ hergestellt werden. Kaum ein Platz eignet sich dafür besser als die trockene, ebene Fläche der Pilatusflur auf der Flußterrasse in unmittelbarer Nähe der Regnitz, wo man Pferde zur Tränke und in Schwemme reiten konnte. Die Bodenqualität des Ortes laut Aussage der „Petersberger Chronik“ (Kunstmann II S. 238, auch bei den anderen Autoren): Et terra, ubi natus est (d.i. Pilatus) nullum germen gignit,“ dass also die Pilatusflur ein Ort sei, der keinen Samen hervorbringe, was wohl besagen will, dass er relativ unfruchtbar sie (zutreffend für die trockene Flußterrasse), erweist sich so als Vorteil, musste man doch für das Lager des Trosses großer Herren oder für das Biwak militärischer Verbände damit keine fruchtbaren Äcker oder wertvolles Weideland zur Verfügung stellen.

Auch der Umstand, dass die Pilatusflur – wie schon gesagt – von bemerkenswerter Ausdehnung ist und sich damit von anderen Flurlagen dieser Gegend deutlich unterscheidet, stützt die Vorstellung, dass es sich hier um einen Lagerplatz für großes, zahlreiches Gefolge handeln könne. So nimmt auch Kupfer an, dass auf dem „Pilatushof oder der Pilatusflur (praedium) die Wahl (Rudolfs von Rheinfelden) stattfand“ (Kupfer, S. 192). Das bedeutet, dass noch 1077 die Pilatusflur nach Kupfers Annahme die Stätte einer sicher sehr umfänglichen Reichsversammlung zur Königswahl war. Dass dabei nicht nur die praktischen Vorzüge der lokalen Gegebenheiten bei der Wahl des Ortes eine Rolle spielten, sondern weit wesentlichere Gründe, muß noch dargestellt weden. Wie denn, wenn die Pfalz Forchheim, also der rechte Ort für eine Königswahl, in unmittelbarer Nähe des Versammlungsplatzes des Wahlvolkes gelegen hat?

Die Pilatusflur – im Volksmund „Pilodes“ – ist also doch wohl weit mehr als der Gegenstand einer etwas skurrilen Lokalsage. Dr. Räbel, der Altmeister der Forchheimer Heimatforschung, hat den Gedanken geäußert, dass mit „Pilatus“ „palatium“ gemeint sei. Kupfer schreibt dazu: „Dr. Räbel glaubte, in dem Bericht der Augsburger Jahrbücher habe der Orginaltext gelautet in loco infausto in Palatii praedio, an einem unheilvollen Ort im Palasthof; infolge eines Schreib- oder Lesefehlers sei statt palatii Pilati gelesen worden. Und der Hinweis auf den Ünglücksort erkläre sich damit, dass in diesem palatium, allerdings vor 200 Jahren, Kaiser Arnulf beim Einsturz eines Gebäudes schwer verletzt wurde.“ (Kupfer, S. 190). Räbel hat seine These später selbst widerrufen. Wenn sich Pilatus von palatium ableiten ließe, wäre dies eine alles vereinfachende Erklärung, wenn es sich in unserem Falle aber nur um einen Schreib- oder Lesefehlers handelt, dann können wir diese These ebenso übergehen wie viele spätere.

Gewichtig dagegen ist aber die Erklärung von Konrad in seinem Aufsatz „Rechtswort und Sage“. Er greift dabei zurück auf das „ahd. Pilidi, piladi, pilothi, mhd. Bilde, das sich in der Umkehrung seiner eigentlichen Bedeutung erhalten hat als „Unbilde“ = Unrecht, ursprünglich ein Femininabstraktum, das eine Bedeutung bilid, piladi, pilodi = Recht zur Voraussetzung hat.“ Er weist in einer längeren Argumentationskette nach, dass der Flurname „Pilodes“ eine Wortbedeutung im Sinne eines „grundherrschaftlichen gebundenen Immunitätsgebietes“ erhalten haben kann. Konrad weiter: „Das bedeutet, dass der Forchheimer bzw. Hausener Pilatus nichts anderes war als ein Teil der ursprünglich zum Fiskalbereich gehörenden Gemarkung. Er wurde unter besonderen Rechtsverhältnissen Gemarkung eigenen Rechts. Die Überlieferung von der Königswahl 1077 auf dem Pilodes bestätigt zusätzlich ihre Qualität als ursprünglicher Bestandteil der Königspfalz.“ (Konrad, S. 48f.)

Für die meisten Historiker war die Pilatussage bisher ein eigenes Untersuchungsgebiet, das sich nur infolge des Berichts über die Wahl Rudolfs von Rheinfelden in losen Zusammenhang mit der Pfalz Forchheim bringen ließ. Aber schon Kupfer hat mit Deutlichkeit eine Verbindung zwischen dem Wahlort und der Pilatusflur geknüpft, allerdings den Schritt nicht gewagt, Pilatusflur und Pfalz in direkten topographischen Zusammenhang zu bringen. Vermutlich waren die örtlichen Gegebenheiten daran schuld, Dass sich niemand vorstellen konnte, in dem flachen, relativ gestaltlosen Bezirk Pilodes habe ein Königshof oder gar eine Pfalz gestanden.

Übersehen wurde dabei ein Hinweis, der ein einer Reisebeschreibung aus dem Jahre 1547 enthalten ist den Hans Jakob in seinem Aufsatz von 1983 wie folgt zitiert: „Hoc oppidum uulgus subulatur Patriam Pilati fuisse, ob montem ibidem eius nominis, nonnullosque adhuc cicum agros, cum tamen fieri poßit, ut alius interim quispiam eiusdem ibidem uixerit. Martinus Zeilerius verdeutscht dies 1640 wie folgt: Vber diesem Vorchemio schreibet Mameranus Lucemburgensis in Keysers Caroli V Reiß von Anno 1545 biß 47 pag 12 b, Daß der gemeine Mann fabuliere, ob sollte dieser Ort deß Pontii Vatterland seyn / wegen eines Berges doselbst vund etlicher Äcker herumb / so diesen Namen haben. Da doch wohl seyn könne / dass vnter dessen ein anderer / so pilatus geheißen / allhier gelebt habe.“ (H. Jakob II, S. 183).

Zur Pilatusflur gehörte also auch ein Berg. Jakob sucht ihn im angrenzenden Flurbezirk „im Galloth“, einem Feuerlettenhügel von beträchtlicher Ausdehnung (Höhe 301), den, wie er meint, die heutige Pilatusflur „ringförmig umgibt“, wie die Quelle es schildert. Nun wäre zu fragen, weshalb dieser Hügel 301 heute nicht mehr zur Pilatusflur gezählt wird und einen eigenen Namen trägt, der zudem sehr alt zu sein scheint. Kunstmann deutet ihn slavisch (H. Jakob I, S. 64f. unter Bezug auf H. Kunstmann). Konrad leitet ihn offensichtlich ahd. oder mhd. ab, hält ihn offensichtlich auch für alt (Konrad, S. 48). Von seiner dominanten, einen weiten Blick gewährenden Lage aus betrachtet wäre es durchaus denkbar, dass er Standort der gesuchten Königshofes sein könnte. Es finden sich aber, obwohl er fast ganz als Ackerflur dient – soweit mir bekannt – keine Bodenfunde, die auf einen solchen Standort hinweisen. Auszuschließen ist er als Standort für eine frühgeschichtliche Sielung aber grundsätzlich nicht. Gleiches gilt übrigens auch für den östlich anschließenden Flurbezirk „Bergfeld“.

Wesentlich geeigneter für den Standort eines Könighofes scheint mir hingegen ein bergspornartiger Hügel zu sein, der auch an die Flur „Pilatus“ anschließt, der aber nicht südlich der von Westen kommenden Straße liegt, wie die Flur „im Galloth“, sondern nördlich davon. Er zählt zur Flurlage „Bei der schönen Marter“. Auch für diesen Hügel gilt in etwa die Beschreibung der zitierten Quelle. Da diese Flurlage ihrem Namen „Bei der schönen Marter“ erst nach der Aufstellung dieses Flurheiligtums erhalten haben kann (die Inschrift weist nach Sitzmann das Jahr 1440 aus), wäre es möglich, dass sie vorher zur Pilatusflur gezählt wurde (Richter, S. 10).

Wesentlich gewichtiger als der Flurname erscheinen mir aber einige andere Gesichtspunkte: Da ist zunächst die Lage dieses Hügels. Der Bergsporn (östlicher Scheitelpunkt etwa 297 m. ü. NN) fällt nach Süden und Osten mäßig steil ab und schließt dabei über die Altstraßen, die sich unmittelbar hier kreuzen, an die jetzige Pilatusflur an. Nach Norden ist er durch einen verhältnismäßig tiefen Taleinschnitt („Heiligengraben“) vom übrigem Hanggelände getrennt. Im Nordwesten besteht eine mäßig ansteigende Verbindung zur „Unteren Mark“, dem bewaltetem Bergzug westlich von Burk. Dieser Anstieg weist einen zweiten deutlichen Scheitelpunkt auf mit der Höhe von etwa 312 m ü. NN. Seine Beschaffenheit entspricht sehr genau der Lagebeschreibung, wie sie Kupfer unter Berufung auf andere frühe fränkische Kastelle erstellt hat (Kupfer, S. 34). Dabei ist zu bemerken, dass mindestens die Höhe 297 noch günstiger gelegen ist als der Platz der jetzigen Burker Kirche, der immer wieder als Ort der ehemaligen Pfalz diskutiert wird. Hier muss ich meinem verehrtem Lehrer Dr. Kupfer vor allem hinsichtlich des von ihm herausgestellten „Fernblicks“ vom vermuteten Platz des gesuchten Kastells aus widersprechen. Eine Höhe von 10 m über dem Talboden (Kupfer, S. 35) reicht sicher nicht aus für eine weite Sicht, wie Kupfer sie vom Standpunkt der heutigen Burker Kirche rühmt, denn das Regnitztal war über 1000 Jahren wohl noch mit Auenwäldern bewachsen, so dass mindestens weitere 20 m Höhe, nur denkbar durch ein entsprechendes Turmbauwerk, für eine gute Fernsicht nötig gewesen wären. Beinahe beherrschend aber ist der Blick von der Höhe 297 (Rodung des Hügels vorausgesetzt) weit ins Wiesenttal hinein, ebenso nach Süden und auch in erheblichen Umfang nach Norden in die Regnitzfurche. Ein geeigneter Platz hinsichtlich des Flächenbedarfs für eine Pfalz wäre diese Höhe ebenfalls; es stehen mehrere Hektar verhältnismäßig ebenen Grundes zur Verfügung, rutschsicher und relativ trocken, ausreichend für eine Pfalz mit vielen Nebengebäuden.

Eine wichtige Rolle spielte bei frühen Siedlungen die Wasserversorgung. Neben der nahen Regnitz, die – wie schon ausgeführt – für die Versorgung auch einer großen Zahl von Tieren zur Verfügung stand, darf auf die wasserführenden, hier nach Süden ausreichende Schichten des Feuerlettens verwiesen werden, die die Anlage von guten Brunnen ermöglichten. (Nahebei liegt die Flur „Kressenbrunnen „). Darüber hinaus verfügt dieser Platz noch über einen weiteren außergewöhnlichen Vorteil: Einige hundert Meter entfernt in nordwestlicher Richtung , im jetzigen Markwald, befindet sich eine außerordentlich starke Quelle. Durch eine einfache hölzerne Rinnenleitung wäre – bei der vorhandenen günstigen Gefällelage – eine hervorragende Wasserversorgung für eine große Anzahl von Menschen möglich gewesen. Dass eine solche Wasserleitung bei einer karolingischen Pfalz denkbar ist, beweisen die Grabungen in Ingelheim, wo eine Wasserleitung von 8 km Länge festgestellt wurde (Grewe).

Für die Anlage eines karolingischen Königshofes, der sich zu einem königlichen Palatium entwickelte, darf erwartet werden, dass die notwendigen Gebäude, die anfänglich wohl aus Holz – oder Fachwerkbauten ausgeführt worden waren, im Laufe der Zeit durch Steinbauten ersetzt oder ergänzt wurden. Dazu ist geeignetes Baumaterial nötig. Nun befindet sich unmittelbar am südlichen Anstieg zur Höhe 297, dort, wo der Feuerletten auf den Burgsandstein trifft, im Bereich des Burgsandsteins eine Geländeausräumung, die eigentlich nur als aufgelassener Steinbruch gedeutet werden kann. Die Erbauer eines Königshofes bzw. einer Pfalz brauchten also nur wenige Meter zu überwinden, um einen sehr brauchbaren Baustein gewinnen zu können. Dem Einwand, dass ein solcher Steinbruch auch von den benachbarten Orten Burk oder Hausen genutzt worden sein könnte, ist zu entgegnen, dass beide Orte ebenfalls über Burgsandsteinanschnitte verfügen, die nicht kilometerweit entfernt sind, sondern in ihrer unmittelbaren Nähe liegen.

Ein Hinweis sei noch erlaubt: Der Flurname „Heiligengraben“, der die Höhe 297 / 312 nach Morden begrenzt, weist auf eine kultische Bedeutung hin. Hier sind sicher weitere Forschungen am Platz. Dabei darf auch erwogen werden, dass mehrere Sagen andeuten, in der Pilatusflur habe sich ein Nonnenkloster befunden (Richter, S. 25). Auch Hübsch spricht von einer solchen Überlieferung (Hübsch, S. 29). Dies würde sich durchaus mit dem Bild einerkarolingischen Pfalz in Einklang bringen lassen. Dabei ist wohl nicht an die „abbacia“ zu denken, welche die Schenkungsurkunde von 1002, die Martinskirche betreffend, erwähnt. Diese ist sicher im heutigen Stadtbereich, eben nahe der Martinskirche, zu suchen.

Dass der Südhang nördlich des Heiligengrabens, unmittelbar gegenüber der Höhe 297 / 312, noch im letzten Jahrhundert als Weinberg genutzt wurde, wie frühere Flurpläne ausweisen, darf am Rande erwähnt werden. Ein für den Weinbau geeignetes Gelände wäre auch keine schlechte Ergänzung für einen fränkischen Königshof. Schließlich soll noch erwähnt werden, dass Flurkarten des 19. Jahrhundert das an unseren Höhenzug 297 / 312 nach Westen anschließende Waldgebiet „Föhrenwald“ benennen. Eine alte Erinnerung an „foracheim“?

Analog zur Darstellung von Konrad Kupfer, und seine Vorstellungen teils übernehmend, teils ergänzend, darf für die frühmittelalterliche Entwicklung Forchheims folgende Szenerie entworfen werden:

  1. Die aus Westen über die Ausläufer des Steigerwaldes vordringenden Franken stoßen nach dem Sieg über die Thüringer 531 in Verfolgung einer Ost – West – Altstraße auf die Regnitzfurche und eine Nord – Süd – Altstraße und gründen zur Sicherung der Straßenkreuzung und der Furt über den Fluss auf der Höhe 297 / 312 eine Ansiedlung, die sie analog zu der etwas nördlich davon gelegenen slawischen Siedlung „Borek“ „Foracheim“ nennen. Östlich der Regnitz befinden sich spätestens seit dem 1. Jh. n. Chr. elbgermanische Siedlungen mit dem Zentrum Ehrenbürg. Daneben haben sich – auch schon westlich der Regnitz, bis in den Steigerwald hinein – eingesickerte Slawen angesiedelt. Sehr bald entstehen auch die ersten fränkischen Ansiedlungen östlich der Regnitz.

  2. Aus der Ansiedlung im Westen (Kastell ?) entwickelt sich ein Königshof, der Mittelpunkt für andere fränkischen Gründungen wie Hausen, Heroldsbach, Ober- und Unterwimmelbach u. a. wird. (Siehe Schenkungsurkunde Heinrich II. von 1007). Gleichzeitig entwickelt sich im Bereich des heutigen Stadtzentrums ein fränkischer Ort, der auch ältere germanische und slawische Anwohner einschließt, und der den Namen „Foracheim“ weiterführt. Kristallisationspunkt wird hier die Martinskirche. Politischer Schwerpunkt aber bleibt der Königshof westlich der Regnitz.

  3. Der Königshof entwickelt sich zu Beginn des 9. Jh. zur Königspfalz, die etwa von 850 – 920 ein Hauptort des Reiches ist und zwei Königswahlen sowie mehrere wichtige Reichs- und Kirchenversammlungen erlebt. Der Begriff „pilodi“ lebt als Flurname für den Ort der Pfalz und ihr Umfeld weiter.

  4. Mit der Vergabe der Königsherrschaft an die Sachsen verliert Forchheim zunehmend seine politische Bedeutung (der Schwerpunkt des Reiches verlagert sich nach Norden), mit dem Übergang an das neugegründete Bistum Bamberg auch seine Eigenschaft als Reichsgut, wobei anfänglich noch ein deutlicher Unterschied gemacht wird zwischen Königsgut und Kirchengut. Die Siedlung östlich des Flusses gewinnt an Bedeutung. Neben der Martinskirche entsteht ein bischöfliches Schloss. Der nicht mehr verstandene Begriff „pilodi“ wird zu „pilodes“ – die Pilatussage entsteht. Der alte Pfalzort wird zu „Altenforchheim“ (vgl. Urkunde von 1117).

  5. Es erhält sich noch die Erinnerung, dass Forchheim (genauer: der Pilodes!) der richtige Ort für eine Königswahl ist, so dass er 1077 Schauplatz für die Wahl des Gegenkönigs Rudolf von Rheinfelden wird. Dies ist die letzte große Rolle, die die Pfalz in der Reichsgeschichte spielt. Danach versinkt der Ort in Vergessenheit. Als „locus infaustus“ (Augsburger Jahrbücher u. Chronik von Petershausen lt. Kupfer, S. 189) wird er ganz verlassen, die behauenen Steine werden weggeführt. Bruchsteinmauerwerk gibt es wohl nicht, der Ort bietet keine Feldsteine. Es bleibt nur die Pilatussage.

Es gibt bisher fast keine archäologischen Belege für die Annahme, dass die Höhe 297 / 312 Standort der gesuchten Pfalz ist. Da der Ort fast ganz mit Grasnarbe bedeckt ist, ließe sich dies notdürftig begründen – bliebe aber dennoch verwunderlich.

Der Vollständigkeit halber muss noch erwähnt werden, dass die wenige hundert Meter nördlich gelegene Flur „Altenburg“ mit in die Überlegungen einbezogen werden sollte; sie erregt seit langem das Interesse der Historiker. Schließlich muss auch die schon eingangs erwähnte Lage „Im Galloth“ und vielleicht sogar der bewaldete Ausläufer der „Unteren Mark“, der sich an die Höhe 297 / 312 anschließt, bedacht werden. Für alle diese Orte ist allerdings zu sagen, dass für sie die für die Höhe 297 / 312 genannten Merkmale nur in erheblich vermindertem Maße gelten.

Sicherheit kann in jedem Falle nur der Spaten des Archäologen bringen. Der resignierenden Meinung, die Dr. Kupfer von Pfarrer Förtsch, dem Verfasser der Forchheimer Häuserchronik in Hinblick auf den Standort der Pfalz übernimmt: „ignoramus et ignorabimus“, brauchen wir nicht zu folgen. Der archäologische Ursprung Forchheims, der karolingische Königshof , die Königspfalz kann gefunden werden.

 

 

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